Corona:

SO STÄRKEN SIE

Ihre Psyche

Seit Monaten führen wir ein Leben unter Coronabedingungen. Prof. Dr. Martin Siepmann, Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Psychosomatischen Klinik am Campus Bad Neustadt, weiß wie die Einschränkungen die Psyche belasten. Um stabil durch den nächsten Winter zu kommen, können unter anderem Resilienz, ein strukturierter Tag sowie die Tipps unserer Checkliste helfen.

Jeder Mensch reagiert anders auf Krisen: Was macht den einen belastbarer und den anderen eher ängstlich? Resilienz beschreibt die Fähigkeit von Menschen, sich an widrige Umstände anzupassen bzw. Krisen erfolgreich zu bestehen. Menschen mit hoher Resilienz zeichnen sich durch eine optimistische Einstellung mit positiver Selbst- und Fremdeinschätzung aus. Die gute Nachricht: Resilienz ist keine stabile Persönlichkeitseigenschaft, sondern ist zeit- und situationsabhängig. Demzufolge kann Resilienz in jedem Lebensalter erworben werden. Wie werde ich resilienter, also stresstoleranter? Akzeptieren Sie (negative) Veränderungen, die Sie nicht beeinflussen können. Sagen Sie sich: Ich kann es nicht ändern, aber ich mache das Beste daraus.Nehmen Sie statt der Einschränkung das Positive in den Fokus: Ich bin mehr zu Hause, habe dadurch mehr Zeit für Entschleunigung, für Hobbys, für die Familie. Schreiben Sie sich jeden Tag eine Sache auf, für die Sie dankbar sind. Dankbarkeit lässt für Grübelschleifen keinen Raum. Betonen Sie Ihre Stärken: Was hat mir früher schon geholfen? Worin bin ich gut? Zum Beispiel Organisation, Kreativität, Geduld, Ausdauer. All das hilft, eine Marathonsituation wie eine Coronapandemie zu meistern. Wie reagiert unsere Psyche auf die Coronamaßnahmen? Es ist ein menschliches Bedürfnis, die Dinge kontrollieren zu können. Coronamaßnahmen führen zu Alltagsveränderungen, die Unsicherheit oder sogar Angst erzeugen können. Wenn die Angst überhand gewinnt, kann ein psychischer Ausnahmezustand, zum Beispiel Panik, auftreten.

Der Mensch ist ein soziales Wesen und lebt von der Bindung. Länger andauernde Quarantäne und Isolation belasten durch Einsamkeit oder Langeweile. Wenn Ärger und Wut dann nach innen gerichtet werden, kann es zu Depression und psychosomatischen Störungen kommen. Nach außen gerichtet, zu Konflikten bis zur Gewalt. So kann ein Teufelskreis aus Angst, Isolation und Stress entstehen.

Checkliste

ZUR SELBSTHILFE

Gibt Sicherheit und Orientierung:

  • Faktencheck bei seriösen Quellen (RKI, WHO). Über eigene Risikofaktoren informieren und sich bewusst machen, was schlimmstenfalls geschehen kann und welche konkreten Expertenempfehlungen es gibt, um sich zu schützen.
  • Coronanachrichten nur einmal am Tag.
  • Bewusst auf positive Nachrichten achten und sie genießen.

Entlastend: Negative Gefühle wie Angst, aber auch Ärger und Enttäuschung wahrnehmen, benennen, in dem man mit anderen darüber spricht oder sie aufschreibt. Beruhigend: Entspannungsverfahren zum Beispiel progressive Muskelentspannung, selbstberuhigendes Atmen und autogenes Training sowie Meditation und Achtsamkeitsübungen. Stärkend: Gesunde Ernährung beeinflusst stressassoziierte Risikofaktoren günstig und kann das Immunsystem stärken. Stressreduzierend: Stress schwächt das Immunsystem – und damit auch die Abwehrmöglichkeiten gegen Krankheitserreger. Daher die Krise und damit verbundene Unsicherheit annehmen bzw. sich erlauben. Antidepressiv: Sport und Bewegung (Waldspaziergang) sind Rückzugsorte, vermindern Stress und wirken antidepressiv.

Während eines Lockdowns oder einer Quarantäne

Tagesstruktur aufrechterhalten: Anziehen, Frühstücken, Arbeiten oder Lernen, Pausieren, Spaziergang in der Natur (gilt nicht für Quarantäne), Buch lesen, Spielen, übliche Schlafenszeiten aufrechterhalten. Sport und Bewegung sind auch in engen Räumen möglich. Anleitungen dazu gibt es im Internet. Selbstfürsorge: Soziale Kontakte per Telefon, Videoanrufe, Mails oder Brief aufrechterhalten. Thematisierung von Familien- oder Beziehungsstress: Festen Zeitpunkt wählen, zum Beispiel während des Abendessens. Jeder darf reden, jeder sollte reden. Nichts aufstauen lassen. In der Freizeit sich Themen zuwenden, die nicht die Pandemie betreffen. Ältere Menschen: Für geschwächte oder verletzte, verwundbare, ältere Personen, zum Beispiel solche mit Demenz, ist eine Notfallversorgung wichtig. In Alten- und Pflegeheimen Telefon- oder unterstützte Videogespräche nutzen. Kontakt über geöffnete Fenster versuchen (gilt nicht für Quarantäne). Sozialpsychiatrische Dienste beraten und unterstützen (Übersicht bei www.bezirk-unterfranken.de)

PROFESSIONELLE HILFE

  • Ärztliche und psychologische Psychotherapeuten bieten zunehmend Telefon- und Videosprechstunden an.
  • Krisendienst Psychiatrie (0180 / 655 3000).
  • Bei Suizidgedanken sofort ärztliche Hilfe aufsuchen: Notruf 112 oder Notaufnahme der regionalen psychiatrischen Klinik.
  • Evaluierte Onlineprogramme zur Stressbewältigung nutzen, evtl. Stimmungstagebuch.
  • Bei häuslicher Gewalt Hilfe holen: Nachbarn, Freunde, Polizei 110, Notarzt 112, Kinderschutzbund (116 111), Telefonseelsorge (zum Beispiel 0800/1110111).