KEINE CHANCE DEM

Winter­blues

Harmlose Stimmungsschwankung oder ernste Erkrankung? Wie Sie einer Winterdepression vorbeugen, sie erkennen und wieder loswerden.

Die Tage werden kürzer, Licht ist Mangelware und das Wetter lädt nicht gerade zu langen Spaziergängen ein. Dafür schmecken Plätzchen und Lebkuchen besonders gut, und am schönsten ist es sowieso unter der Bettdecke. „Wenn wir auf Winterschlafmodus schalten, dann ist das bis zu einem gewissen Grad normal im Sinne einer sinnvollen Energiesparmaßnahme unseres Organismus“, sagt der Chefarzt der Psychosomatischen Klinik, Prof. Dr. Martin Siepmann. Wenn daraus aber ein Winterblues oder gar eine Depression wird, sollte man handeln.

BLUES ODER DEPRESSION?

Wo hört die schlechte Laune auf, und wo fängt die behandlungsbedürftige Depression an? Dafür gibt es klare Kriterien: Wenn die Kernsymptome (gedrückte Stimmung, Interessen-, Motivations- und Antriebsverlust) länger als zwei Wochen überwiegend und die meiste Zeit des Tages anhalten, sollte man sich professionelle Hilfe suchen.

Winterdepression: Was heißt das?

Depressionen gehören zu den häufigsten Krankheiten hierzulande. Bei einem kleineren Teil der Patienten handelt es sich um eine Winterdepression oder saisonale Depression mit typischem Verlaufsmuster: Sie beginnt im Herbst oder Winter und verschwindet im Frühjahr wieder und unterscheidet sich auch in Ursachen, Symptomatik und Behandlung von einer „normalen“ Depression. Während Schlaf und Appetit bei Depressionen typischerweise gestört sind, bringt die Winterdepression vermehrtes Schlafbedürfnis und gesteigerten Appetit mit Heißhunger auf Süßes mit sich. Gemeinsam sind beiden Depressionsformen Interessen- und Motivationsverlust, geringe Aktivität, niedergeschlagene Stimmung, Selbstzweifel, Schuldgefühle und Pessimismus. Auch Denken und Konzentration können beeinträchtigt sein.

Lichtmangel stört Biorythmus

„Die Ursachen sind bei der Winterdepression etwas weniger psychologischer Natur als bei der nichtsaisonalen Depression“, erklärt Prof. Siepmann. Das Hormon Melatonin wird nachts vermehrt ausgeschüttet. Sobald wir die Augen öffnen und Licht auf unsere Netzhaut fällt, fährt der Körper die Produktion herunter. In den dunklen Wintermonaten zirkuliert so mehr Melatonin im Körper, was wiederum das Risiko für einen Serotoninmangel und somit einer depressiven Störung erhöht. Wer genetisch bedingt bereits einen etwas höheren Melatoninspiegel hat, ist gefährdeter. Hinzu kommen sozialer Rückzug, geringere Aktivität und Infekte, die zusätzlich Stoffwechselsysteme durcheinanderbringen und so das Auftreten einer Depression begünstigen können.

SELTENE SOMMERDEPRESSION

Sehr selten treten saisonale Depressionen in den Sommermonaten auf. Man vermutet, dass hier zu wenig Melatonin den Biorhythmus durcheinanderbringt. Typisch sind neben den üblichen depressiven Symptomen Unruhe, Schlafstörungen und Appetitmangel.

Licht, Psychotherapie oder Tabletten?

Die Behandlung setzt zunächst beim fehlenden Licht an: 30 Minuten helles Licht aus einer Tageslichtlampe mit 10 000 Lux und mehr können die Melatoninproduktion senken. Außerdem sollte man nicht zu viel schlafen und unter Leute gehen. Ansonsten wird wie bei Depressionen üblich mit Psychotherapie und Medikamenten behandelt. Dabei gilt: Je schwerer die Depression, desto wichtiger sind Medikamente, die die entgleisten Stoffwechselprozesse im Gehirn wieder ins Lot bringen. Die Psychotherapie geht das depressive Denken an und sollte möglichst durch Ergotherapie, Sport, Bewegung und Diätberatung unterstützt werden. Leicht- bis mittelgradige Depressionen kann man ambulant behandeln, ansonsten ist eine stationäre oder tagesklinische Therapie ratsam. Prof. Siepmann: „Bei Depressionen ist es sehr wichtig, dass sie möglichst schnell behandelt werden und man sich nicht mit einer teilweisen Besserung zufrieden gibt. Je länger man wartet, desto höher ist das Risiko einer Chronifizierung.“

RITUALISIERTE VORBEUGEN

Dass wir in den dunkelsten Tagen des Jahres Advent, Weihnachten und Silvester feiern, ist wohl kein Zufall: Man kann die religiösen Feste als eine Art ritualisierte Vorbeugungsstrategie sehen. Sie haben wahrscheinlich den Sinn, dass man auch in der trüben Jahreszeit sozialen Anschluss hat.

So beugen Sie vor

Um zu vermeiden, dass aus dem leichten Winterblues eine Depression wird, können Sie einiges tun: Gönnen Sie sich viel Bewegung an der frischen Luft, möglichst so lange es noch hell ist, bleiben Sie aktiv, am besten mit 30 Minuten Ausdauersport pro Tag. Achten Sie auf gesunde Ernährung im Sinne einer mediterranen Kost, meiden Sie Fettes, Süßes, Fast Food und generell Gewichtszunahme. Und geben Sie Ihrem Schlafbedürfnis nicht zu sehr nach.